Bayern klagt nicht gegen Ehe-Öffnung

Seit dem 1. Oktober 2017 können schwule und lesbische Paare in Deutschland heiraten

Der Freistaat Bayern wird vermutlich nicht gegen die Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare klagen. Das soll aus einer Vorlage für die heutige Kabinettssitzung in München hervorgehen, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Demnach seien die Chancen, dass eine solche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durchgeht, sehr gering.

Erfolgsaussichten der Klage wären eher gering

In der Kabinettsvorlage heißt es, der Freistaat könne zwar gegen das Gesetz zur Gleichstellung schwuler und lesbischer Partnerschaften im Eherecht klagen – allerdings seien „nach einer Gesamtabwägung die Erfolgsaussichten als gering anzusehen.“ Die „besseren rechtlichen Gründe“ sprächen für die Zulässigkeit des Gesetzes und somit gegen eine Klage. Die endgültige Entscheidung trifft das Kabinett.

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Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche kurz vor der Sommerpause 2017 beschlossen. Seit dem 1. Oktober 2017 können schwule und lesbische Paare nun heiraten und haben dabei die gleichen Rechte und Pflichten wie heterosexuelle Paare, einschließlich des uneingeschränkten Adoptionsrechts.

Vor allem Union und AfD bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit

Unter Verfassungsjuristen gab es damals Diskussionen, ob zur Öffnung der Ehe eine Änderung des Grundgesetzes nötig gewesen wäre. Einige Juristen, CDU, CSU und AfD bejahten das, die Mehrheit der Verfassungsrechtler allerdings nicht. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer von der CSU hatte deshalb die Möglichkeit einer Verfassungsklage ausdrücklich offengelassen.

Die bayerische Landesregierung hat deshalb im September des letzten Jahres zwei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben,  die die Erfolgschancen einer solchen Klage ausloten sollten. Ferdinand Wollenschläger, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg, sollte prüfen, ob die Ehe-Öffnung verfassungskonform ist. Dagmar Coester-Waltjen, Professorin für internationales Familienrecht an der Georg-August Universität Göttingen, wurde mit einem internationalen Rechtsvergleich beauftragt.

Eine Klage könnte die Ehe für alle sogar stärken

Die Gutachten wurden dem Justizministerium „vor Kurzem“ vorgelegt, so das Ministerium auf eine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Isabell Zacharias. Der dpa zufolge hätten die Gutachter „überzeugend dargestellt, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat“: Durch den Wandel der Gesellschaft sei „die Verschiedengeschlechtlichkeit kein exklusives und damit kein prägendes Strukturmerkmal der Ehe mehr“.

Die Gutachter raten der Bayerischen Staatsregierung deshalb von einer Klage gegen die „Ehe für alle“ ab. Denn anstatt die Ehe-Öffnung durch die Klage rückgängig zu machen, könnte das Bundesverfassungsgericht „diese sogar zum Anlass nehmen, eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Einführung der ‚Ehe für alle‘ festzuschreiben“, so die Juristen.

War die Klagsdrohung nur ein 40.000 Euro teurer Werbegag?

Eine solche Einschätzung war zu erwarten. Denn das Bundesverfassungsgericht interpretiert das Grundgesetz immer im gesellschaftlichen Kontext. So stellte es in einer vergangenen Entscheidung beispielsweise klar, dass der in der Verfassung garantierte Schutz der Familie auch für schwule und lesbische Paare mit Kindern gelte.

Überhaupt wurde von politischen Beobachtern die Ernsthaftigkeit der Klagedrohung bezweifelt: Sie sehen darin ein wahltaktisches Manöver vor der Bundestagswahl, um die Flanke zur AfD abzusichern und sich als Bewahrer der „echten Familie“ zu positionieren. Die Kosten für die beiden Gutachten haben dem bayerischen Justizministerium zufolge mehr als 40.000 Euro betragen.